Clarence Ricci: Welche Rolle spielt der Musiker angesichts systemischer Ungerechtigkeit?

Ich schreibe Ihnen aus Boston, einem der US-Hotspots für das Coronavirus, und einer weiteren Stadt, in der große, friedliche Proteste nach der Ermordung von George Floyd und unzähligen anderen unschuldigen Schwarzen zu Recht Gerechtigkeit fordern.

Musik ist eine Berufung, die uns aufnimmt, unsere Herzen und Gedanken überflutet und uns aus der Alltagswelt und ihrem Leiden entfernen kann. Aber wenn ich heute eine Welt im Chaos betrachte, frage ich mich, welche Bedeutung Musik, Cello, Kultur und Kunst im Allgemeinen haben. Welche Rolle spielt CelloBello in einer solchen Zeit? Was können / sollen wir als Musiker tun?

Während ich von einer langen Karriere gesegnet war, habe ich mich als klassischer Musiker immer wieder gefragt, wie ich die Welt zu einem besseren Ort machen kann. Die Antwort war nicht schwierig – Musik tröstet, heilt, erhebt, erleuchtet und hilft, unsere Emotionen auszugleichen. Musik hat die Kraft, Menschen zu vereinen. In dieser zunehmend technologischen und stressigen Welt hat das, was wir tun, mehr Relevanz und Zweck als je zuvor. Kriege, Pandemien und jedes erdenkliche menschliche Leiden können durch Musik gelindert werden, weil Musik ein menschliches Grundbedürfnis erfüllt. Es hat eine gesellschaftliche Funktion, und wir müssen uns nicht für das entschuldigen, was wir tun.

Aber manchmal reicht es nicht aus, Musik zu machen.

Es gibt eine lange Geschichte idealistischer, sozialbewusster Musiker, die zu Lebzeiten aktiv werden: Pablo Casals, Paul Robeson, Daniel Barenboim, Toscanini, Huberman, um nur einige zu nennen. Dies waren nicht nur große Künstler, sondern auch Humanisten, die durch ihren moralischen Kompass zum Handeln angeregt wurden. Einige schlossen sich den Protestwellen an, indem sie solidarisch auftraten, während andere sich sogar weigerten, trotz Ungerechtigkeit die Bühne zu betreten. Heute ist die Welt wieder in Gefahr, von Bigotterie, Fanatismus und einem Durst nach Macht überrannt zu werden, der keine Moral kennt. Während dies nur einer von vielen Fällen unnötiger Polizeibrutalität war, sollte es für jeden Menschen ein Kinderspiel sein, den Tod von George Floyd mitzuerleben – egal, ob Sie Bauer, Gehirnchirurg oder Musiker sind.

Was für Musiker heute anders ist, ist, dass wir keine Live-Konzerte haben und unsere Musik, im wahrsten Sinne des Wortes unsere stärkste Waffe, durch die Pandemie teilweise zum Schweigen gebracht wurde.

Dies sollte uns jedoch keinen Grund geben, uns zu lösen.

Bei CelloBello ging es immer um musikalische Exzellenz und darum, die Traditionen und das Erbe unserer Kunstform zu teilen. Es geht auch darum, eine globale Gemeinschaft aufzubauen, die Vielfalt dieser Gemeinschaft zu feiern und den Zugang zu einer qualitativ hochwertigen Musikausbildung auszugleichen. Dies ist zwar eine der wenigen nicht-musikalischen Äußerungen, die jemals auf CelloBello erschienen sind, aber ich glaube, sie gehört hierher, da sie zu den vielen Musikern spricht, die sich Sorgen machen und sich fragen, was wir, wenn überhaupt, tun können.

Obwohl dies eine Zeit ist, in der wir als Musiker keine Theater, Parks und öffentlichen Veranstaltungsorte nutzen können, gibt es so viele Möglichkeiten, etwas zu verändern. CelloBello begrüßt diejenigen, die ihre Instrumente und Stimmen in den sozialen Medien veröffentlicht haben. Schwarze Leben zählen. Wir können alle auf unsere eigene Art und Weise und auf unserem eigenen Komfortniveau aufstehen, um unser kaputtes Justizsystem zu reparieren und die systemischen Vorurteile in den Institutionen unseres Landes abzubauen. Einige von uns haben das Alter überschritten, in dem wir an Demonstrationen teilnehmen können, aber wir können noch viel tun. Und ich hoffe, dass jüngere Musiker sich anderen jungen Leuten anschließen und sichere Wege finden, um zu protestieren. Gehen, reden, schreiben, sprechen, Gründe für Anstand und Gerechtigkeit unterstützen und ABSTIMMEN. Dies liegt in unserer Verantwortung.

Musik kommt in unendlichen Formen durch alle Zivilisationen und Kulturen und spiegelt die reiche Vielfalt der Menschheit wider. Es ist eine universelle Sprache. Lassen Sie es weiterhin eine Plattform für den Dialog sein, und lassen Sie uns Musiker weiterhin als Agenten für positive Veränderungen in der Welt dienen.

Boston MA, 2. Juni 2020